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Design for Recycling

Unbequeme Wahrheiten der Kreislaufwirtschaft

Recycling ist in aller Munde. Europa ist gefühlt weltweit führend in diesem Bereich. „Leider ist das nicht immer der Fall“, sagt der Metallurgie- und Recyclingexperte Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Markus Reuter. Seit mehr als 35 Jahren forscht er an Systemen und implementiert Technologien auf diesem Gebiet, sowohl im akademischen Umfeld als auch in der Industrie. Er macht auf unbequeme Wahrheiten und Herausforderungen aufmerksam – zeigt aber auch Chancen für eine bessere Zukunft auf.

Prof. Reuter, Europa scheint heute mehr denn je zu recyceln. reicht das nicht?

Reuter: Recycling endet ja nicht, wenn Sie etwas in die Tonne werfen. Echtes Recycling bedeutet, dass aus alten Produkten wieder hochreine Rohstoffe zurückgewonnen werden, damit diese erneut in Hightechprodukten Verwendung finden können. Denken Sie an Ihr Smartphone: Es ist heute ein komplexer funktioneller Mix aus Metallen, Kunststoffen und Gläsern. Man braucht wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie aufwendig es ist, diese wieder physikalisch und chemisch zu trennen, um letztlich die Metalle zurückzugewinnen. Es wäre fast genauso schwer, Ihren täglichen Morgenkaffee wieder in seine Bestandteile zu zerlegen, sprich: pures Wasser, Zucker, Milch und Kaffee. Hier gibt es keine einfachen Antworten – und man kommt an einen Punkt, an dem der Aufwand den Wert der enthaltenen Metalle übersteigt. Dieses Wissen sollte uns dazu animieren, ein neues Bewusstsein im Hinblick auf den Verbrauch unserer begrenzten Ressourcen zu entwickeln.

Aber deshalb treibt die EU doch die Kreislaufwirtschaft voran, oder?

Reuter: Das Bild eines geschlossenen Kreislaufs ist ein bequemes. Es vermittelt den Eindruck, dass alles, was vorne hineingeht, hinten auch wieder nutzbar herauskommt, und das ohne Energieverbrauch. Leider heißt die unbequeme Wahrheit: Es gibt keine vollständigen Kreisläufe! Denn zu einer ehrlichen Diskussion gehört auch, transparent über die Verluste im Prozess zu sprechen: Verluste in Form von Energie, Metallen und Stäuben. Es gibt technologische und ökonomische Grenzen bei der Schließung von Kreisläufen. Und daher braucht es auch politische Rahmenbedingungen, die Recycling fördern, statt zu behindern.

Foto: MARKUS REUTER
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Markus Reuter ist seit 2015 Direktor am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie (HIF). Er engagiert sich auf den Gebieten Recycling, recyclingfreundliche Produktgestaltung und Ressourceneffizienz sowie Prozessmetallurgie.
Echtes Recycling bedeutet, dass Sie aus alten Produkten wieder hochreine Rohstoffe zurückgewinnen, damit diese erneut in Hightechprodukten Verwendung finden können.PROF. DR. DR. H. C. MULT. MARKUS REUTER
Warum behindern?

Reuter: Nehmen wir das Beispiel Blei. Ja, Blei ist leider toxisch. Daher überlegt die Europäische Union, die Nutzung zu verbieten. Aber es ist eben auch eine Tatsache, dass Blei – wie Kupfer – als wichtiger Metallsammler im Multi-Metall-Recycling fungiert. So macht Blei die Kreislaufwirtschaft überhaupt erst möglich, indem es hilft, Metalle wie Gold, Silber, Bismut oder Antimon auszubringen. Ohne Blei ist das gesamte System der Kreislaufwirtschaft gefährdet. Das wird in den aktuellen kontroversen und oft leider oberflächlichen Diskussionen zur Kreislaufwirtschaft häufig vergessen und übersehen. Das Resultat von vorschneller politischer Entscheidungen und möglicher Metallverbote könnte sein, dass die Metallproduktion aus Europa abwandert. Das würde unsere Kontrolle darüber wie Metalle hergestellt und recycelt werden, massiv stören.

Gibt es denn auch Positivbeispiele?

Reuter: Absolut. Dazu zählen unter anderem die Sammelsysteme für Recyclingmaterialien in Europa, mit denen wir im internationalen Vergleich schon sehr weit sind – undenkbar ohne europäische Standards und Vorgaben. Viel könnten wir zudem gewinnen, wenn wir gleich beim Produktdesign das Recycling mitdenken würden.

Und wie könnte das aussehen?

Reuter: Wie gesagt: Wir werden ein Produkt nie zu 100 % wiederverwerten können. Das sind die Gesetze der Natur. Aber wenn man Produktdesign und metallurgisches Know-how verbindet und vorab berechnet, was sich später recyceln lässt, kann man viel optimieren. Es ist beispielsweise sinnvoll, ein Produkt aus verschiedenen Modulen zu fertigen. Damit lassen sich die Rohstoffe so verteilen, dass man die Module im Recyclingprozess mit der richtigen Technologie jeweils direkt metallurgisch verarbeiten kann. Das würde das Recycling vieler Wertmetalle erleichtern und gleichzeitig die Energieeffizienz maximieren.

Ohne Blei, keine Kreislaufwirtschaft

Blei – wie Kupfer – fungiert als wichtiger Metallsammler im Multi-Metall- Recycling. So macht Blei die Kreislaufwirtschaft überhaupt erst möglich, indem es hilft, Metalle wie Gold, Silber, Bismut oder Antimon auszubringen.

Foto: Kreislaufwirtschaft
Setzen die Hersteller das schon um?

Reuter: Ein Beispiel ist das Fairphone, aber das ist immer noch die Ausnahme. Obwohl viel diskutiert wird, fehlt noch die Notwendigkeit. Deshalb arbeiten wir im Institut an einem Recyclingsiegel. Es soll den Verbraucher über die tatsächliche Recyclingfähigkeit von Produkten informieren. Hierfür haben wir Simulationsmodelle entwickelt, die die umfangreiche Prozesskette digital eins zu eins abbilden. So lässt sich die tatsächliche Recyclingfähigkeit von Produkten berechnen und verbessern. Das steigert die Transparenz für den Konsumenten und unterstützt ihn dabei Entscheidungen zu treffen. Ein wichtiger Schritt zur Veränderung.

Modulbauweise des Fairphones
FOTO:Fairphone

Das Fairphone ist dank seiner modularen Bauweise zu großen Teilen recycelbar. www.fairphone.com

Was kann die Hütten-industrie dazu beitragen?

Reuter: Die Hüttenindustrie ist ein Schlüsselelement für den Materialkreislauf innerhalb der Kreislaufwirtschaft, da sie um die technischen und ökonomischen Grenzen weiß. Dabei ist ein regelmäßiger Austausch mit den Produktherstellern zu den Grenzen des Machbaren genauso wichtig wie der Dialog mit der Öffentlichkeit. Die digitalen Modelle können dabei helfen, das gegenseitige Verständnis zu steigern.

Wir brauchen in Europa Lösungen, um die Multi-Metall-Rückgewinnung innerhalb der Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Wir sprechen hier von nicht weniger als der metallurgischen Infrastruktur, die die Basis der Kreislaufwirtschaft bildet. In diesem Zusammenhang sind Hüttenbetriebe ein wesentlicher Treiber, um die gleichzeitige Ausbringung unterschiedlicher Metalle flexibel zu steuern und zu maximieren.

Die Gretchenfrage zum Schluss: Wer soll am Ende dafür zahlen?

Reuter: In der heutigen Gesellschaft wächst das Verständnis dafür dass Hersteller wie Verbraucher einen Beitrag zum verantwortungsvollen Ressourcenverbrauch leisten müssen. Das hat seinen Preis. Und dieser muss berücksichtigen, dass wir am Ende eines jeden Produktlebens das Konsumgut wieder sauber zerlegen können. In den Niederlanden beispielsweise werden die Sammlungs- und Recyclingkosten von Altgeräten von den Herstellern und den Importeuren getragen. Am Ende stellt sich die Frage: Sollte der Produktpreis eine deutlich höhere Komponente für das spätere Recycling beinhalten? Als Metallurgen wissen wir welche Verarbeitungslöhne notwendig sind, für die Verarbeitung von komplexen Rohstoffen. Daher können wir eine wichtige Rolle bei der Aufklärung der Gesellschaft spielen, hinsichtlich dessen, was am Ende machbar ist und was nicht.

FOTO: Metallrecycling

Verbessertes Produktdesign und Metallrecycling müssen die Lösung sein. In der heutigen Gesellschaft wächst das Verständnis dafür dass Hersteller wie Verbraucher einen Beitrag zum verantwortungsvollen Ressourcenverbrauch leisten müssen.